Gedankenkarussell bei Angstpatienten: Wie Sie aus dem Kreislauf aussteigen und innere Ruhe zurückgewinnen

Viele Menschen, die mit Angst zu tun haben, kennen das Gefühl nur allzu gut: Ein Gedanke taucht auf – manchmal alt und längst bekannt, manchmal neu und scheinbar harmlos – und schon beginnt das Karussell sich zu drehen. Ein Gedanke löst den nächsten aus, Sorgen überschlagen sich, und ehe man sich versieht, hat der eigene Geist Geschwindigkeit aufgenommen wie eine Achterbahn, die man nicht mehr stoppen kann.

In meiner Praxis in Berlin arbeite ich täglich mit Menschen, die unter diesem mentalen Strudel leiden. Das Gedankenkarussell ist dabei kein Zeichen von Schwäche oder mangelnder Disziplin, sondern eine ganz natürliche Reaktion eines überlasteten Nervensystems. Es versucht, Lösungen zu finden, Sicherheit herzustellen – leider oft an den falschen Stellen und in Dauerschleife.

Doch es gibt Wege, aus diesem Muster auszusteigen. Wege, die nicht darin bestehen, gegen die Gedanken anzukämpfen, sondern eine neue Perspektive auf sie zu gewinnen.

 

Der entscheidende Schritt: Von oben auf das eigene Denken schauen

Anstatt sich von der Gedankenspirale mitreißen zu lassen, hilft es, einen inneren Abstand zu schaffen – so, als würde man einen Schritt zurücktreten und sich selbst von oben beobachten. Eine Art mentale Vogelperspektive.

Man könnte es so beschreiben:

  • Die Gedanken sind wie Wolken, aber Sie sind der Himmel.
  • Die Gedanken sind wie vorbeifahrende Autos, aber Siestehen sicher am Straßenrand.
  • Die Gedanken sind wie ein Radiosender, der gerade sehr laut eingestellt ist – aber Sie sind nicht das Radio.

Dieser Perspektivwechsel schafft Raum. Raum, um zu atmen, um sich zu regulieren, um bewusst zu entscheiden, ob man diesem Gedanken wirklich folgen möchte oder nicht.

Drei alltagstaugliche Übungen, um aus dem Gedankenkarussell auszusteigen

1. Die „3-Minuten-Pause“ – zurück in den Körper

Setzen Sie sich hin, legen Sie beide Füße auf den Boden und schließen Sie für einen Moment die Augen.
Stellen Sie sich drei Fragen:

  1. Was denke ich gerade? (ohne zu bewerten – nur beobachten)
  2. Was fühle ich gerade im Körper? (Druck, Wärme, Enge – alles darf da sein)
  3. Worauf kann ich jetzt meine Aufmerksamkeit lenken? (zum Beispiel auf den Atem oder ein Geräusch im Raum)

Diese kurze Übung reicht oft, um den Autopiloten zu unterbrechen.

2. „Gedanken lautlos benennen“ – entmachten statt bekämpfen

Wenn ein Gedanke auftaucht, benennen Sie ihn still in Ihrem Kopf:

  • „Ah, da ist wieder der Sorgen-Gedanke.“
  • „Das ist ein Katastrophisieren-Gedanke.“
  • „Das ist ein Selbstkritik-Gedanke.“

Durch das Benennen entsteht sofort eine Distanz. Der Gedanke ist nicht mehr Sie, sondern ein Ereignis, das im Geist auftaucht – und wieder gehen darf.

3. „Der Blick von oben“ – das innere Beobachter-Ich stärken

Stellen Sie sich für einen Moment vor, Sie würden sich selbst von oben betrachten:

  • Wie sitze ich da?
  • Wie sieht meine Haltung aus?
  • Wie wirkt mein Gesicht, meine Atmung, meine Bewegungen?
  • Welche Gedanken scheinen gerade in meinem Kopf hin- und herzuwandern?

Diese Technik stärkt den inneren Beobachter – den Teil von Ihnen, der ruhig bleibt, auch wenn die Gedanken laut sind. Je öfter Sie das üben, desto schneller können Sie im Alltag aus dem Karussell aussteigen.

Es geht nicht ums Stoppen – es geht ums vorbei ziehen lassen

Das Ziel ist nicht, keine Gedanken zu haben. Das Ziel ist, nicht jedem Gedanken zu glauben und nicht automatisch hinterherzulaufen.

Mit der Zeit lernen viele meiner Patient*innen, Gedanken wie kleine Besucher zu sehen, die kurz vorbeikommen – und wieder gehen, ohne das ganze Haus zu übernehmen.

Wenn Sie merken, dass Ihr Gedankenkarussell zu schnell wird, dann erinnern Sie sich daran:

  • Sie dürfen aussteigen.
  • Sie dürfen sich innerlich auf einen ruhigeren Platz setzen.
  • Sie dürfen beobachten, statt reagieren zu müssen.
Und Schritt für Schritt entsteht mehr innere Gelassenheit.
 

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